Projektmanagement-ABC: N wie Netzplantechnik
Veranschaulichung der Ablaufstruktur von Projekten, ihrer Dauer und ihren Abhängigkeiten
In der Beschaffung oder Produktion wird sie gerne genutzt und auch im Projektmanagement kann sie wertvolle Dienste leisten. Die Rede ist von der Netzplantechnik, mit deren Hilfe die Dauer, Pufferzeiten und der kritische Pfad von Prozessen erkannt werden können. Tatsächlich werden die wenigsten Projektmanager regelmässig selbst Netzpläne für ihre Projekte erstellen, sondern eine Projektmanagement-Software dafür nutzen. Dennoch ist es für das Projektverständnis wichtig zu wissen, wie der Netzplan erstellt wird.
Was ist die Netzplantechnik?
Die Netzplantechnik ist eines der präzisesten, aber auch aufwändigsten Werkzeuge, um betriebliche Vorgänge in einem strategisch sinnvollen Ablauf darzustellen. Das können Projekte, Produktionsvorgänge, Marketingprozesse oder ähnliches sein. In dem Netzplan werden zudem Start- und Endzeiten, Puffer, Abhängigkeiten und die gesamte Dauer des Prozesses abgebildet. Dadurch ist es möglich, Abläufe genau zu organisieren oder betriebliche Prozesse korrekt darzustellen. Laut der DIN 69900 verwendet die Netzplantechnik Netzpläne als «grafische oder tabellarische Darstellung einer Ablaufstruktur, die aus Vorgängen bzw. Ereignissen und Anordnungsbeziehungen besteht.»
Ein Netzplan kann als «Gesamtnetzplan» dabei ein gesamtes Projekt darstellen. Es ist aber auch möglich, «Teilnetzpläne» zu erstellen, die nur einen Teil des Projektes abbilden, und die mit anderen Teilnetzplänen verbunden werden, um das gesamte Projekt darzustellen. Diese Netzplanzerlegung wird insbesondere dann genutzt, wenn einzelne Stakeholder nicht an Details des Planes interessiert sind. Im Rahmen der Netzplanverdichtung kann für sie dann beispielsweise ein Netzplan der wichtigsten Meilensteine erstellt werden, während andere Stakeholder für sie wichtige detaillierte Teilnetzpläne erhalten.
Wie Sie einen Netzplan in wenigen Schritten erstellen
1. Basis erstellen
Die Basis für einen Netzplan bildet ein Prozess mit seinen Teilschritten. Sowohl die einzelnen Schritte als auch die Dauer der jeweiligen Aufgaben sollte hierbei bekannt sein.
Im folgenden Beispiel besteht der Prozess aus sieben Schritten:
Schritt | Dauer in Zeiteinheit | Vorher zu beenden |
Start | 2 | – |
Vorgang A | 4 | Start |
Vorgang B | 3 | Vorgang A |
Vorgang C | 2 | Vorgang A |
Vorgang D | 1 | Vorgang B |
Vorgang E | 4 | Vorgang B und C |
Ziel | 5 | Vorgang D und E |
Diese Schritte werden nun in Form von sogenannten Knoten erstellt, die dann je nach Abhängigkeit miteinander verbunden werden.
Ein solcher Knoten sieht folgendermassen aus:
Die Abkürzungen stehen für folgende Werte:
Index | Prozessschritt |
Vorgang | Vorgangsname |
D | Dauer |
FAZ | Frühester Anfangszeitpunkt |
FEZ | Frühester Endzeitpunkt |
SAZ | Spätester Anfangszeitpunkt |
SEZ | Spätester Endzeitpunkt |
GP | Gesamtpuffer |
FP | Freier Puffer |
- Der Index markiert den jeweiligen Prozessschritt. Meist wird er mit Zahlen oder Buchstaben nummeriert.
- Beim Vorgang wird der Vorgangsname, bzw. eine kurze, prägnante Beschreibung eingetragen.
- Bei D wird die Dauer des Vorgangs eingetragen.
- Der früheste Anfangszeitpunkt FAZ besagt, wann frühestens mit einem Vorgang begonnen werden kann, und ist daher abhängig von vorgelagerten Prozessen.
- Der früheste Endzeitpunkt FEZ berechnet sich aus dem frühesten Anfangszeitpunkt und der Dauer eines Vorgangs und gibt so an, wann der Vorgang frühestens abgeschlossen sein kann.
- Der späteste Endzeitpunkt SEZ gibt an, wann ein Vorgang spätestens abgeschlossen sein muss, um weitere Prozessschritte nicht zu verzögern.
- Der späteste Anfangszeitpunkt SAZ wird berechnet, indem die Dauer eines Vorgangs vom spätesten Endzeitpunkt abgezogen wird. So besagt er, wann spätestens mit der Bearbeitung eines Vorganges begonnen werden sollte, um nachgelagerte Prozessschritte nicht zu beeinflussen und so den gesamten Prozess zu verzögern.
- Der Gesamtpuffer GP gibt an, um wie viel Zeit ein Vorgang verschoben werden kann, ohne den spätesten Anfangszeitpunkt der nächsten Aktivität verschieben zu müssen. Wird dieser Puffer ausgenutzt, startet der nachfolgende Vorgang nicht mehr am frühestmöglichen Termin, der Endtermin des Projektes wird aber nicht beeinflusst.
- Der freie Puffer FP besagt dagegen, wie lange eine Aktivität dauern kann, ohne den frühsten Anfangszeitpunkt der nachfolgenden Vorgänge zu beeinflussen.
2. Knoten verknüpfen
Zunächst wird ein Netzplan mit den bisher vorhandenen Daten erstellt. Das heisst, es werden die einzelnen Knoten mit Index, Vorgang und Dauer eingetragen. Diese Knoten werden im Anschluss mit Pfeilen verbunden, die sich aus den in der Tabelle ersichtlichen Abhängigkeiten ergeben. Ein Pfeil markiert also eine Anordnungsbeziehung, bzw. die logische, fachliche, personelle oder zeitliche Abhängigkeit von einzelnen Vorgängen. So kann in dem Beispiel Vorgang E erst gestartet werden, wenn die Vorgänge B und C abgeschlossen wurden. Daher wird von den Vorgängen B und C jeweils ein Pfeil auf Vorgang E gerichtet.
3. Vorwärtsterminierung
Bei der nun folgenden Vorwärtsterminierung werden die Pfade von Anfang bis Ende durchwandert, wobei jeweils der Früheste Anfangszeitpunkt (FAZ) und der früheste Endzeitpunkt (FEZ) eingetragen werden. Dabei gilt:
- Der FAZ des ersten Prozessschrittes ist immer gleich 0.
- Der FEZ berechnet sich immer aus FAZ und Dauer. FEZ = FAZ +D
- Der FEZ eines Vorgangs ist gleichzeitig der FAZ des nachfolgenden Schrittes und kann daher anhand der Abhängigkeiten einfach übertragen werden.
- Sollte ein Knoten mehrere vorgelagerte Prozessschritte haben, gilt der FEZ, der den höchsten Wert aufweist.
4. Rückwärtsterminierung
Anschliessend werden die Pfade vom Ende bis zum Anfang durchwandert, wobei jeweils der späteste Anfangszeitpunkt und der späteste Endzeitpunkt eingetragen werden. Dabei gilt:
- Der SEZ des letzten Schrittes entspricht seinem FEZ. Dadurch bildet er den Ausgangspunkt der Rückwärtsterminierung
- Der SAZ berechnet sich, indem die Dauer vom SEZ abgezogen wird. SAZ = SEZ – D
- Der SAZ eines Vorgangs ist der SEZ des vorherigen Vorgangs.
- Hat ein Vorgang mehrere Nachfolger, wird jeweils der kleinste SAZ übernommen.
5. Puffer
Nun können die Puffer für jeden Vorgang berechnet werden:
- Der Gesamtpuffer GP ist die Differenz aus SAZ und FAZ. GP = SAZ – FAZ
- Der freie Puffer (FP) wird aus der Differenz des FAZ des nachfolgendenden Prozessschrittes sowie dem FEZ des aktuellen Vorgangs berechnet. Bei mehreren Nachfolgern zählt auch hier die kleinste Alternative. FP = FAZ (Nachfolger) – FEZ (Vorgänger)
6. Kritischer Pfad
Im vollständigen Netzplan kann nun noch der kritische Pfad eingetragen werden. Das sind alle Teilschritte, bei denen sich keine Verzögerung ergeben darf, wenn der ursprünglich angedachte Endtermin eingehalten werden soll. Demzufolge finden Sie den kritischen Pfad, indem Sie alle Prozessschritte identifizieren, die weder einen freien Puffer noch einen Gesamtpuffer haben.
Besondere Anordnungsbeziehungen
Dem vorherigen Beispiel liegt zugrunde, dass ein vorgelagerter Vorgang abgeschlossen sein muss, um einen nachgelagerten Vorgang starten zu können. Man spricht hierbei von einer Ende-zu-Anfang-Beziehung. In der Praxis gibt es aber auch andere Abhängigkeiten, die zudem mit notwendigen Verzögerungen kombiniert sein können:
Ende zu Anfang / Normalfolge
Vorgang A muss beendet sein, damit Vorgang B starten kann.
- FAZ (B) = FEZ (A) +Verzögerung
- SEZ (B) = SAZ (A) – Verzögerung
Anfang zu Anfang / Anfangsfolge
Vorgang B kann begonnen werden, sobald Vorgang A gestartet wurde.
- FAZ (B) = FAZ (A) + Verzögerung
- SEZ (B) = SAZ (A) – Verzögerung + D (B)
Ende zu Ende / Endfolge
Vorgang B kann beendet werden, sobald Vorgang A beendet wurde.
- FAZ (B) = FEZ (A) + Verzögerung – D (B)
- SEZ (B) = SEZ (A) – Verzögerung
Anfang zu Ende / Sprungfolge
Vorgang B kann beendet werden, sobald Vorgang A begonnen wurde. Hier ergibt sich ein negativer Puffer.
- SAZ (B) = FAZ (A) – Verzögerung + D (B)
- SEZ (B) = SEZ (A) + Verzögerung + D (B)
Vorteile der Netzplantechnik
- Einfache Ermittlung der Gesamtdauer eines Prozesses, bzw. Projektes
- Darstellung der Abfolge und Abhängigkeiten aller Vorgänge eines Prozesses, bzw. Projektes
- Überblick über den gesamten Prozess, bzw. das gesamte Projekt, sowie einzelne Vorgänge, ihre Dauer, Termine und Puffer
- Grundlage für die Termin- und Ressourcenplanung im Projekt
- Aufzeigen des kritischen Pfades ermöglicht Risiken im Prozess, bzw. Projekt, zu erkennen und z. B. Puffer vorab einzuplanen
- Angabe von Pufferzeiten ermöglicht, Chancen im Ablauf zu ergreifen und so den Prozess, bzw. das Projekt, zu straffen
- Mit Hilfe des Netzplans können Sie einfach einschätzen, ob sich der Prozess, bzw. das Projekt, im Zeitplan befindet
Nachteile der Netzplantechnik
- Hoher Aufwand bei der Erstellung und ggf. Korrektur, da jeder einzelne Vorgang detailliert eingetragen werden muss
- Hoher Aufwand, wenn der Plan durch Verzögerungen angepasst werden muss
Fazit
Ein Netzplan ist ein wichtiges Hilfsmittel im Projektmanagement, da er das gesamte Projekt mit allen Aktivitäten, deren Dauer und Abhängigkeiten in einer logischen Abfolge darstellt . Er ermöglicht, den kritischen Pfad zu erkennen und Puffer zu identifizieren. Auf diese Weise können Risiken und Chancen erkannt werden, sodass darauf reagiert werden kann.
Einen Netzplan manuell zu erstellen dauert, insbesondere bei grossen Projekten, sehr lange und die Pflege bei Verzögerungen oder Änderungen ist äusserst aufwändig. Daher ist es sinnvoll, eine Projektmanagement-Software hierfür zu verwenden. Darin wird meist eine besondere Form des Netzplans verwendet, das Gantt-Chart. Puffer und der kritische Pfad werden so automatisch beim Anlegen des Projektes berechnet und zusätzlich die Dauer der einzelnen Vorgänge mittels Balkendiagramm visualisiert.
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