Leitsätze im Projektmanagement: Brooks`sches Gesetz
Warum zusätzliche Ressourcen nicht immer hilfreich sind
Eigentlich wäre es ganz einfach: Wenn einem verspäteten Projekt weitere Ressourcen hinzugefügt werden, sagt die Logik, dass das Projekt dann auch schneller abgeschlossen werden kann. Doch die gut gemeinte Absicht schlägt oft fehl, insbesondere in weiter fortgeschrittenen Phasen eines Projektes. Hier schlägt das Brooks`sche Gesetz zu.
Was ist das Brooks`sche Gesetz?
Frederick (Fred) Philips Brooks ist ein US-amerikanischer Informatiker, der in seinem Buch „The Mythical Man-Month: Essays on Software Engineering“ den Satz prägte:
„Adding manpower to a late software project makes it later. “
Auf Deutsch: Der Einsatz zusätzlicher Arbeitskräfte bei bereits verzögerten Softwareprojekten verzögert sie nur noch weiter.
Dieser Satz, der zunächst der Intuition eines jeden Projektmanagers widerspricht und den Brooks aus seiner Erfahrung als Softwareingenieur bei IBM lernte, wurde als das Brooks`sche Gesetz bekannt.
Warum verspäten sich Projekte weiter, wenn Ressourcen hinzugefügt werden?
Laut Brooks sind für die weitere Verspätung eines solchen Projektes verschiedene Gründe verantwortlich:
1. Einarbeitung der neuen Mitarbeitenden:
Hauptgrund für die weitere Verzögerung ist die Einarbeitungszeit der neuen Mitarbeitenden bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie produktiv zum Projekt beitragen können. Um die neuen Mitarbeitenden optimal auf Ihre Aufgaben im Projekt vorzubereiten, ist es nämlich sinnvoll, dass die aktuellen Mitarbeitenden die Einarbeitung übernehmen, da sie über die notwendige Expertise verfügen. Während sie ihre neuen Kollegen in das Projekt einführen, können aber weder die bisherigen noch die neuen Mitarbeitenden aktiv am Projekt arbeiten. Bis also alle produktiv sind, vergeht viel Zeit, die im Nachhinein kaum aufgeholt werden kann. Zudem können den neuen Mitarbeitenden in der ersten Zeit aus Unwissenheit Fehler passieren, die im Anschluss korrigiert werden müssen und die so den Projektfortschritt ausbremsen.
Dazu kommt noch, dass die neuen Kollegen sich erst ins Team integrieren müssen, also die Teambildungsphase, die zu Projektbeginn bereits stattgefunden hat, nochmals durchlaufen werden muss.
2. Erhöhter Koordinationsaufwand:
Werden weitere Mitarbeitende zum Projekt hinzugefügt, steigt auch der Koordinationsaufwand innerhalb des Teams, da jeder einzelne sich mit mehr Kollegen abstimmen muss. Das verringert die Produktivität der Mitarbeitenden und kann so zu einer weiteren Verzögerung des Projektes führen. Um den gesteigerten Kommunikationsaufwand zu veranschaulichen, erklärte Brooks diesen Punkt in seinem Buch mit einer einfachen Formel. Arbeiten n Mitarbeitende an einem Projekt, gibt es (n²-n)/2 Kommunikationsschnittstellen. Das bedeutet, dass 2 Personen eine Schnittstelle haben, 3 Personen 3 Schnittstellen, 4 Personen 6 Schnittstellen und bei 10 Personen sind es bereits 45 Kommunikationsschnittstellen. So kann man schnell nachvollziehen, warum der Kommunikationsaufwand exponentiell steigt. Einfach gesagt: Wenige Mitarbeitende können sich beim Gang zum Kaffeeautomaten abstimmen, während bei großen Teams geplante Meetings organisiert werden müssen, um die wichtigen Informationen auszutauschen. Da die Kommunikationszeit keine produktive Arbeitszeit ist, verpuffen auf diese Weise zusätzliche Kapazitäten.
3. Nicht teilbare Aufgaben:
Ab einem gewissen Punkt können Aufgaben nicht mehr weiter auf unterschiedliche Mitarbeitende verteilt werden, oder nur noch mit einem sehr grossen Koordinationsaufwand, da die Aufgaben sauber geteilt und die Ergebnisse anschliessend wieder zusammengefügt werden müssen. Sind also mehr Personen verfügbar als zuteilbare Aufgaben, können die zusätzlichen Mitarbeitenden nicht bei der Arbeit helfen, sondern verhindern das schnelle Vorankommen durch weitere Koordinationsaufgaben.
4. Weitere Effekte:
Zudem sollte bedacht werden, dass zusätzliche Mitarbeitende die Produktivität des Teams schwächen können, beispielsweise weil Mitarbeitende sich für die Aufgaben nicht mehr so stark verantwortlich fühlen oder sie generell weniger motiviert sind.
Verallgemeinerung des Brooks`schen Gesetzes
Das Brooks`sche Gesetz galt ursprünglich nur für Softwareprojekte. Da die oben genannten Gründe allerdings nicht nur auf diese Projekte zutreffen, sondern allgemein gültig sind, kann auch das Brooks`sche Gesetz universell angewandt werden – und dies nicht nur für Mitarbeitende, sondern auch für weitere Ressourcen wie Budget oder Zeit. So kann z. B. gesagt werden, dass zusätzliches Budget nicht dazu führen muss, dass ein Projekt schneller abgeschlossen wird, wenn das zugrundeliegende Problem durch das zusätzliche Geld nicht behoben wird.
Ausserdem kann das Gesetz nicht nur für Verspätungen eines Projektes, sondern für sämtliche negativen Ergebnisse angewandt werden. So kann beispielsweise das Hinzufügen weiterer Mitarbeitender Konflikte im Team verschlimmern oder zu einer schlechteren Produktqualität führen.
Generell kann also gesagt werden, dass das Hinzufügen weiterer Ressourcen zu einem Projekt manchmal nicht hilfreich, sondern sogar kontraproduktiv ist.
Vorbehalte gegen das Brooks`sche Gesetz
Brooks selbst beschreibt sein Konzept als extreme Vereinfachung, da die verschiedensten Faktoren nicht bedacht werden, die ebenfalls eine Rolle spielen, so z. B.:
- Die aktuellen Mitarbeitenden, beispielsweise was Ihre Fähigkeit und Bereitschaft betrifft, neue Kollegen einzuarbeiten.
- Die neuen Mitarbeitenden, beispielsweise was Ihre Erfahrung in ähnlichen Projekten oder ihre Lernbereitschaft, bzw. Lernfähigkeit betrifft – so kann ein neuer Kollege mit viel Erfahrung schneller produktiv mitarbeiten als ein kompletter Neuling, der mehr Einarbeitungszeit benötigt und so auch die vorhandenen Mitarbeitenden länger mit der Einarbeitung beschäftigt.
- Die Anzahl der Mitarbeitenden, die hinzugefügt werden sollen, sowie die Gesamtgrösse des Teams.
- Die soziale Dynamik innerhalb des Teams.
- Die Art der Kommunikation innerhalb des Teams.
- Die Aufgaben des Projektes und deren Teilbarkeit – so kann es hilfreich sein, neue Mitarbeitende hinzuzuholen, die den bisherigen Mitarbeitenden zuarbeiten und beispielsweise einfachere Aufgaben wie die Projektdokumentation übernehmen.
- Der Grund, warum neue Ressourcen hinzugefügt werden sollen.
- Weitere Schritte zur Unterstützung des Projektes, die abgesehen von der Aufstockung der Ressourcen eventuell noch unternommen werden.
Zudem bezieht sich das Brooks`sche Gesetz nur auf Projekte, die bereits verspätet sind. Das heisst, bei einer drohenden Verspätung kann das Hinzufügen von Ressourcen unter Umständen einen positiven Effekt haben. Auch die Gründe der Verspätung werden nicht einbezogen. So kann es beispielsweise sein, dass der Projektaufwand zu Beginn des Projektes generell zu optimistisch geschätzt wurde.
So hilft Ihnen das Brooks`sche Gesetz im Projektmanagement
Das Brooks`sche Gesetz liefert Ihnen eine wichtige Erkenntnis – nämlich, dass das Hinzufügen weiterer Ressourcen zu einem Projekt nicht immer nützlich ist. Mit dieser Erkenntnis können Sie herausfinden, ob einem Projekt mit weiteren Ressourcen wirklich geholfen ist, und bestimmen, wie viele Ressourcen hinzugefügt werden sollten sowie auf welche Art sie das Projekt unterstützen sollen. Bedenken Sie aber, dass das Brooks`sche Gesetz nicht immer gilt. Wurde ein Projekt von vornherein mit zu wenigen Ressourcen geplant oder handelt es sich um Volumenaufgaben, die parallel abgearbeitet werden können, werden zusätzliche Ressourcen tatsächlich hilfreich sein.
Bevor also Ressourcen zu einem Projekt hinzugefügt werden sollten Sie sich fragen:
- Welche Ziele sollen mit weiteren Ressourcen erreicht werden?
- Wie können weitere Ressourcen die Zielerreichung unterstützen?
- Wie können weitere Ressourcen die Zielerreichung gefährden?
- Wie effektiv werden diese und die aktuellen Ressourcen dann sein?
- Wie effizient werden diese und die aktuellen Ressourcen dann sein?
Wägen Sie diese Fragen gut gegeneinander ab. So kann es beispielsweise sein, dass weitere Mitarbeitende die Produktivität einzelner Mitarbeitender Ihres Projektteams schmälern, insgesamt aber dennoch eine höhere Produktivität entsteht. Zudem kann es sein, dass Sie feststellen, dass das Hinzufügen vieler weiterer Ressourcen nicht sinnvoll ist, einige wenige, ausgewählte Ressourcen dem Projekt aber helfen würden.
Des Weiteren sollten Sie auch immer andere Möglichkeiten bedenken, um Ihre Ziele zu erreichen. Droht beispielsweise eine Budgetüberschreitung, können Sie auch andere Massnahmen ergreifen, als das Budget zu erhöhen, um Ihr Projekt dennoch erfolgreich abzuschliessen. Was Sie alles tun können, lesen Sie im Blogbeitrag „Projektbudget überschritten – und nun?“ . Ähnliches gilt, wenn Sie merken, dass eine Verspätung droht: Neben zusätzlichen Ressourcen kann es auch möglich sein, die Projektdauer zu verlängern oder beispielsweise den Projektumfang zu verringern.
Unser Tipp: Mit einer solchen Analyse können Sie auch überprüfen, ob Ihr aktuelles Projekt optimal durchgeführt wird, bzw. ob Sie Ihre verfügbaren Ressourcen effizient und effektiv nutzen.
Kennen Sie das Brooks`sche Gesetz, kann es Ihnen ausserdem bei der Kommunikation mit Stakeholdern helfen. Droht eine Verspätung, so wird unserer Erfahrung nach schnell der Ruf nach weiteren Ressourcen laut. In einem solchen Fall können Sie mit Hilfe des Brooks`schen Gesetzes erklären, warum weitere Ressourcen nicht sinnvoll sind, und dann zusammen eine bessere Lösung suchen. Werden dennoch weitere Ressourcen zu dem Projekt hinzugefügt, können Sie die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, schneller erkennen und versuchen, gegenzusteuern. Beispielsweise können Sie unter Umständen auf neue Mitarbeite bestehen, die bereits viel Erfahrung in ähnlichen Projekten haben, oder die mit den anderen Teammitgliedern bereits zusammengearbeitet haben.
Fazit
Gemäss dem Brooks`schen Gesetz kann das Hinzufügen weiterer Ressourcen zu einem ohnehin schon verspäteten Projekt die Verspätung aus verschiedenen Gründen noch verschlimmern. Sind Sie sich dessen bewusst, können Sie bei Schwierigkeiten im Projekt genau abwägen, ob Sie neue Ressourcen sinnvoll einsetzen können, um Ihre Ziele zu erreichen, und wenn ja, wie viele Ressourcen Sie benötigen und wie sie eingesetzt werden sollen. Diese Erkenntnis hilft Ihnen dabei, eine optimale Lösung für Ihr Projekt zu finden und diese an die Stakeholder zu kommunizieren.
Eine Projektmanagement-Software kann Ihnen nicht nur dabei helfen, auftretende Schwierigkeiten innerhalb eines Projektes beispielsweise mit einer Meilensteintrendanalyse frühzeitig zu erkennen. Die Planung der Aufgaben hilft Ihnen auch zu verstehen, wo weitere Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden können, und ob Ihre aktuellen Ressourcen bereits effektiv und effizient arbeiten. Zudem ist es sinnvoll, den möglichen Einsatz von zusätzlichen Ressourcen auch im Rahmen des Risiko- und Chance-Managements im Detail zu beurteilen.
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