Aufwandsschätzung im Projektmanagement
Das sind die gängigsten Methoden
Die Aufwandsschätzung ist wohl eine der häufigsten Aufgaben eines Projektmanagers, aber nicht gerade eine der einfachsten. Wie lange eine Aufgabe dauern wird, lässt sich nämlich dank vielen Unwägbarkeiten schwer sagen und oftmals entwickelt sie sich anders als gedacht. Bekannte Beispiele für eine fehlerhafte Aufwandsschätzung sind die Elbphilharmonie in Hamburg oder der Berliner Flughafen BER. Während die Schätzung bei ähnlichen Projekten nämlich noch relativ genau gemacht werden kann, sieht das bei neuartigen Projekten völlig anders aus. Fehleinschätzungen sind allerdings nicht nur für grosse Projekte gefährlich, sondern können auch kleine Vorhaben scheitern lassen.
Was ist eine Aufwandsschätzung?
Mit einer Aufwandsschätzung werden die wahrscheinlichen Aufwände eines Projektes ermittelt. Sie hilft auch dabei, die Machbarkeit eines Projektes zu beurteilen und so eine Entscheidung für oder gegen ein Projekt zu treffen. Wichtige Teile hierbei sind die Kapazitäts-, Ressourcen -, Zeit- und Kostenplanung. Ein Verfahren, um Aufwände zu schätzen sollte einfach in der Anwendung, benutzerfreundlich und dabei möglichst genau sein.
Wozu werden Aufwandsschätzungen benötigt?
Aufwandsschätzungen sind meist ungenau und können sehr fehlerhaft sein. Dennoch ist zumindest eine grobe Aufwandsschätzung für ein Projekt wichtig, beispielsweise um das Projektbudget festzulegen und zu beantragen sowie einen ungefähren Zeitrahmen für das Projekt zu definieren.
>>Unsere Erfahrung zeigt, dass es in der Praxis sinnvoll ist, die Aufwandsschätzung nur bis zu einem bestimmten Detaillierungsgrad durchzuführen, dafür aber regelmässig zu überprüfen und anzupassen.<<
Walter Epple, Senior Berater
Schätzmethoden
Um eine möglichst genaue Schätzung zu erhalten, können verschiedene Schätzmethoden angewandt werden. So unterscheiden sich beispielsweise die Schätzmethoden im agilen und klassischen Projektmanagement. Wichtig ist, dass die Aufwandsschätzung nicht nur am Beginn eines Projektes stattfindet, sondern kontinuierlich aktualisiert wird, da so die Schätzung für den weiteren Projektverlauf immer genauer wird.
1. Top-Down
Beim Top-Down-Ansatz macht der Auftraggeber zu Beginn eines Projektes eine Grobschätzung, an der sich das Projektteam orientieren soll. Diese Methode basiert also auf den Erfahrungen des Auftraggebers und ist sehr einfach durchzuführen. Allerdings sind die Schätzungen meist sehr ungenau, da der Auftraggeber nicht jeden nötigen Arbeitsschritt überblicken kann.
2. Bottom-Up
Der Bottom-Up-Ansatz ist im Vergleich zur Top-Down-Methode komplexer und aussagekräftiger. Hierbei werden die einzelnen Arbeitsschritte bewertet sowie Ihre voraussichtliche Dauer und die benötigten Ressourcen ermittelt. Dadurch ist diese Methode genauer. Allerdings kann es sein, dass die Verantwortlichen die Dauer und die Kosten im Vornherein etwas grosszügiger planen und das Projekt dadurch fehlerhaft eingeschätzt wird.
3. Expertenschätzung
Als Projektleitender kennt man sich meist nicht in jedem projektrelevanten Thema gleich gut aus. Daher kann man eine Schätzung von jemandem einholen, der in dem jeweiligen Bereich ein Experte ist und daher den Aufwand einer Aufgabe gut einschätzen kann.
Unser Tipp: Bei der Expertenschätzung ist es sinnvoll, mehrere Experten zu befragen, von deren Schätzungen dann ein Mittelwert genommen wird. Um die Qualität der Schätzung zu verbessern, sollte einer der Experten möglichst am Projekt mitarbeiten.
Weitere Varianten der Expertenschätzung sind:
- PERT Drei-Punkt-Schätzung
Bei dieser Methode werden auf Basis von Erfahrungen drei Werte geschätzt: Ein optimistischer, ein pessimistischer und ein wahrscheinlicher Wert. Aus diesen Werten wird dann der zu erwartende Wert ermittelt. Da dies eine sehr einfache und schnelle Methode ist, bietet sie sich besonders in frühen Projektphasen an. - Delphi-Methode
Die Delphi-Methode basiert auf dem Bottom-Up-Ansatz. Allerdings werden hierbei zur Schätzung mehrere Experten herangezogen. Diese diskutieren im Vorfeld nicht und geben Ihre Schätzung verdeckt ab. Wenn die Ergebnisse sich stark unterscheiden, wird darüber diskutiert, um einen Konsens zu finden. Anschliessend wird wieder bewertet und diskutiert. Auf diese Wiese ist die Schätzung relativ genau, beansprucht aber mehrere Experten über längere Zeit. - Planning Poker
Das Planning Poker ähnelt der Delphi-Methode. Auch hierbei geben Experten verdeckte Schätzungen ab. Unterscheiden sie sich stark, wird allerdings im Anschluss nicht diskutiert. Stattdessen erklären die Experten mit der höchsten und niedrigsten Schätzung Ihre Gründe für die jeweilige Entscheidung. Im Anschluss wird von allen Experten eine neue Schätzung abgegeben, bis ein Konsens zwischen den Experten gefunden wurde.
4. Analogiemethode
Bei der Analogiemethode werden die Aufwände aus bereits abgeschlossenen, ähnlichen Projekten abgeleitet.
Eine Variante hiervon ist die Relationsmethode:
Auch die Relationsmethode basiert auf Erfahrungswerten ähnlicher Projekte. Zusätzlich werden aber feste Richtlinien und Faktoren definiert, die ebenfalls in die Berechnung einfliessen. Das sind beispielsweise spezifische Anforderungen an ein Produkt oder die Erfahrung von Mitarbeitenden.
5. Multiplikationsmethode
Bei der Multiplikationsmethode werden Aufgabenpakete gebildet, die mehrfach durchgeführt werden. Der Gesamtaufwand wird anschliessend ermittelt, indem die Anzahl der Pakete mit deren geschätztem Aufwand multipliziert wird. Daher eignet sich diese Methode besonders, wenn sich einzelne Aufgaben eines Projektes häufig wiederholen.
6. Gewichtungsmethode
Hierbei wird ermittelt, welche Faktoren welchen Einfluss auf ein Projekt haben. Mit den unterschiedlichen Gewichtungen wird dann der Gesamtaufwand ermittelt.
7. Prozentsatzmethode
Bei der Prozentsatzmethode wird der aktuelle Ist-Aufwand für ein Projekt als Grundlage für die Berechnung des Aufwandes für nachfolgende Phasen genommen. Alternativ kann auch der mit einer anderen Methode geschätzte Aufwand für eine Projektphase als Basis für die Berechnung herangezogen werden. Dadurch ist diese Methode frühzeitig einsetzbar.
8. Algorithmische Schätzmethoden
Algorithmische Schätzmethoden werden häufig erst in späteren Phasen von Projekten eingesetzt, da für ihre Anwendung ein detailliertes Wissen über das Projekt vorliegen muss. Zu diesen Methoden gehören:
- Function Point
- Data Point
- Object Point
- Cocomo (Constructive Cost Model)
Auswahl der passenden Schätzmethode
Welche Schätzmethode angewandt wird hängt einerseits vom aktuellen Fortschritt des Projektes ab, andererseits aber auch von der verfügbaren Zeit sowie von verfügbaren Experten. Daher sollte die Auswahl einer geeigneten Schätzmethode immer individuell getroffen werden. Für frühzeitige, grobe Schätzungen eignen sich die Analogie-, Relations und Prozentsatzmethode. Die Gewichtungs- und Multiplikationsmethode eignen sich dagegen besser, wenn die Einflussfaktoren eines Projektes genau bekannt sind. Sind entsprechende Experten vorhanden, ist eine Expertenschätzung jederzeit möglich. Je nach angewandter Methode ist sie allerdings aufwändiger in der Durchführung. Algorithmische Methoden eignen sich insbesondere in späteren Projektphasen, da für sie detailliertes Wissen nötig ist.
Fazit
Aufwandsschätzungen sind aufwändig, häufig ungenau und hängen oftmals von Erfahrungswerten ab. Dennoch werden sie benötigt, um zumindest grob abschätzen zu können, wie aufwändig ein Projekt wird und wie viel Zeit seine Umsetzung in Anspruch nehmen wird. So kann auch während der Umsetzung des Projektes überprüft werden, ob die Aufgaben plangemäss abgeschlossen werden oder das Projekt den geplanten Aufwand übersteigen wird.
Eine Projektmanagementsoftware hat alle Aufgaben eines Projektes im Blick – ganz unabhängig davon, ob Sie klassisch mit einem Gantt-Diagramm planen oder ein Kanban-Board nutzen. Diesen Aufgaben können Sie einen geplanten Aufwand zuweisen und während der Umsetzung des Projektes bereits geleistete Aufwände darauf verbuchen. Mit einem Plan-Ist-Vergleich oder einer Earned Value Analyse können Sie schnell feststellen, ob der geplante Aufwand überschritten wurde und auf diese Weise eine Prognose über den weiteren Projektverlauf abgeben. So werden Ihre Schätzungen während der Umsetzung des Projektes genauer.
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