Earned Value Analyse

Was ist die Earned-Value-Analyse und wie kann sie Ihnen helfen, Projekte zu steuern und zu überwachen sowie als Frühwarnsystem für Kosten- und Terminabweichungen dienen?

Projektmanagement-ABC: E wie Earned Value Analyse

Die Earned Value Analyse (EVA) ist ein Werkzeug, um den Fortschritt und Erfolg eines Projektes für das Controlling zu messen, sowie die aktuelle Termin- und Kostensituation abzubilden. Synonym werden auch die Begriffe Leistungswertanalyse, Ertragswertanalyse, Fertigstellungswertmethode oder Arbeitswertanalyse verwendet.

Definition

Die Earned Value Analyse (EVA) ist eine Controlling-Methode, die unabhängig von der Grösse und Komplexität eines Projektes mit Hilfe von Plan- und Ist-Daten zu Kosten, Zeit und Leistungsumfang klare Kennzahlen zum Projektfortschritt liefert. Die Ergebnisse der Berechnungen liefern valide Aussagen zum Projektstatus und bilden eine Grundlage für Prognosen des weiteren Projektverlaufs in Bezug auf Kosten und Dauer.

Ziele

Projektmanager nutzen die Earned Value Analyse, um Kosten und Termine zu überprüfen, indem sie die Planwerte mit den tatsächlichen Werten in einem bestimmten Zeitrahmen vergleichen. So können sie überprüfen, ob Zeit und Geld sinnvoll genutzt werden und auf dieser Basis fundierte Entscheidungen zum weiteren Projektverlauf treffen.

Die EVA wird genutzt zur:

  • Überwachung der Termin- und Kostentreue
  • Prognose der voraussichtlichen Gesamtkosten und des Endtermins eines Projektes
  • Frühwarnung für das Projektcontrolling

Grundlegende Begriffe

Planaufwand (PV): Der Planaufwand umfasst die angesetzten Projektergebnisse sowie den dafür geplanten Aufwand. Er wird aus der Projektplanung ermittelt und bildet die Basis für die weiteren Berechnungen.

PV = Planmenge x Plankosten

Ist-Kosten (AC): Die tatsächlichen Kosten, die bis zu einem Stichtag für die geleistete Arbeit angefallen sind. Dieser Wert stammt in aller Regel aus Kostenübersichten oder dem Controlling.

AC = Istmenge x Istkosten

Fertigstellungsgrad bzw. Fortschrittsgrad (PC): Dieser Wert wird in Prozent angegeben und sagt aus, zu welchem Anteil ein Projekt zum Stichtag bereits fertiggestellt wurde.

Fertigstellungswert (EV): Der Fertigstellungswert oder auch Earned Value der geleisteten Arbeit besagt, wie viel Wert die Arbeit an einem Projekt bis zum Stichtag geschaffen hat.

EV = PV * PC

Kostenabweichung (CV): Dieser Wert sagt aus, ob das Projekt zum Stichtag mehr Kosten produziert hat, als es sollte, also ob das Projekt im geplanten Kostenrahmen liegt.

CV = EV – AC

Zeitplanabweichung (CPI): Mit der Zeitplanabweichung können Sie erkennen, ob das Projekt vor oder hinter dem Zeitplan liegt.

CPI = EV / AC

Kosteneffizienz (SV): Dies ist eine Kennzahl zur relativen Bewertung der angefallenen Kosten im Verhältnis zum Projektumfang.

SV = EV – PV

Zeiteffizienz (SPI): Die Zeiteffizienz bewertet den zeitlichen Projektfortschritt im Verhältnis zum Plan.

SPI = EV / PV

Wie funktioniert die Earned Value Analyse?

1. Eingangsgrössen festlegen (geplante Gesamtkosten eines Projekts und Projektdauer)

Diese ergeben sich aus dem Projektstrukturplan und der Kostenkalkulation. Während des Projektes können Sie auf dieser Basis zum gewünschten Zeitpunkt, beispielsweise einmal pro Monat an einem festgelegten Stichtag, die Kennzahlen berechnen und auswerten

2. Planaufwand, Ist-Kosten und Fertigstellungswert (Earned Value) zum aktuellen Stichtag ermitteln

Um den Fertigstellungswert zu ermitteln, benötigen Sie zunächst den Fertigstellungsgrad. Dieser lässt sich auf unterschiedliche Weisen berechnen. Wägen Sie anhand Ihrer Erfahrungen ab, welche Form sich für Ihr jeweiliges Projekt oder eine Aktivität eignet.

  • Fertigstellungsgrad in Prozent: Bei dieser Variante schätzen Ihre Mitarbeitenden ihren Fortschritt und geben ihn in Prozent an. Geniessen Sie die Angaben aber mit Vorsicht, denn Menschen neigen dazu, ihre fertiggestellte Arbeit zu überschätzen.
  • 0/100-Regel: Hier fliessen nur beendete Aktivitäten in die Rechnung zu 100 Prozent mit ein. Alle anderen Aktivitäten werden mit 0 Prozent bewertet. Diese Variante eignet sich besonders für kurze Aktivitäten und Projekte mit kurzen Reportingzyklen sowie für Aktivitäten mit unsicheren Ergebnissen. Da der Fertigstellungsgrad so konstant unterbewertet wird, ist dies eine sichere Methode
  • 25/75-Regel: Hierbei wird jede angefangene Aktivität mit 25 Prozent bewertet und erst mit deren Fertigstellung werden die restlichen 75 Prozent hinzugefügt. So wird die 0/100-Regel abgemildert.
  • 50/50-Regel: Eine angefangene Aktivität wird hier immer mit 50 Prozent bewertet. Dadurch wird die erste Hälfte der Aktivitäten überbewertet und ab der zweiten Hälfte wird unterbewertet. Diese Regel eignet sich besonders für kurze Aktivitäten, die innerhalb von zwei aufeinanderfolgenden Reportingperioden gestartet und beendet werden.

3. Kosten- und Zeitplanabweichung berechnen

Negative Werte zeigen an, dass Sie die geplanten Kosten überschreiten oder das Projekt hinter seinem Zeitplan liegt. Sind die Werte positiv, dann sind durch das Projekt bisher weniger Kosten als geplant entstanden oder das Projekt ist schneller vorangekommen.

4. Performance Indizes CPI und SPI berechnen

Zeitplanabweichung in Relation zum bisherigen Projektumfang.
Beim CPI (Kosteneffizienz) besagt ein Wert kleiner als 1, dass die bisherigen Leistungen mit höheren Kosten als geplant erbracht wurden. Ist der Wert genau 1, ist Ihr Projekt genau im Plan. Bei Werten über 1 konnten Sie dagegen Kosten einsparen.
Ebenso verhält es sich beim SPI (Zeiteffizienz): Ist der Wert kleiner als 1 hinkt Ihr Projekt dem Plan hinterher. Beim Wert 1 ist das Projekt genau planmässig und bei einem Wert über 1 ist der Projektfortschritt schneller als geplant.

5. Prognosewerte für die Projektkosten mit Hilfe des CPI berechnen

Üblicherweise werden hierfür zwei Werte unter verschiedenen Annahmen errechnet.

  • Annahme, dass zukünftig ergriffene Massnahmen wirken: Gehen Sie davon aus, dass keine weiteren Planabweichungen mehr entstehen werden, dann sind die voraussichtlichen Gesamtkosten (Estimate at Completion = EAC) die Summe Ihrer bisherigen Kosten und der restlichen Plankosten.
    EAC = AC + (PV – EV)
  • Annahme, dass der CPI konstant bleibt: Gehen Sie davon aus, dass der Fehler in der Kostenplanung bestehen bleibt, errechnen Sie den EAC, indem Sie den bisherigen CPI auf die gesamte Projektkalkulation umlegen.
    EAC = PV / CPI

6. Prognosewerte für die Projektdauer berechnen

Die einfachste Methode, um die Projektdauer zu prognostizieren ist, die ursprünglich geplante Dauer durch den ermittelten SPI zu dividieren. Allerdings ergibt diese Berechnung nur eine grobe Abschätzung und ist nicht sehr zuverlässig, da Abhängigkeiten der Vorgänge untereinander und beispielsweise Ressourcenverfügbarkeiten nicht berücksichtigt werden. Verlässlichere Prognosen erhalten Sie z. B., wenn Sie eine Prognose in Kombination mit der Netzplantechnik oder dem Kritischen Pfad durchführen.

7. Berechnete Kennzahlen interpretieren

Visuelle Darstellungen sich meist leichter verständlich und übersichtlicher als Tabellen. Aus diesem Grund können Sie die zeitliche Entwicklung der Werte auch in Liniendiagrammen darstellen. Durch den Verlauf der Linien wird Ihnen und jedem, dem Sie die Analyse präsentieren, auf einen Blick klar, ob die geplanten und tatsächlichen Fertigungswerte übereinstimmen und wie sich die Kosten und Termine verhalten. Auch die Wirksamkeit von Steuerungsmassnahmen, die Sie in der Vergangenheit ergriffen haben, können Sie in einem solchen Diagramm erkennen.

8. Massnahmen ergreifen

Weichen die ermittelten Werte stark von den Planwerten ab, sollten Sie versuchen, die Ursache herauszufinden, und Massnahmen dagegen ergreifen.

Begriffe im Überblick

AC (Actual Cost) | Ist-Aufwand

CPI (Cost Performance Index) | Kosteneffizienz

CV (Cost Variance) | Kostenabweichung

EAC (Estimate at Completion) | erwarteter Gesamtaufwand 

EC (Estimated Completion) | Erwartete Gesamtdauer

EV (Earned Value) | Fertigstellungswert 

PC (Percent Complete) | Fortschrittsgrad oder Fertigstellungsgrad

PV (Planned Value) | Planaufwand

SPI (Schedule Performance Index) | Zeiteffizienz

SV (Schedule Variance) | Planabweichung

Formeln im Überblick

EV = PV * PC

CPI = EV / AC
CPI > 1: im Budget
CPI < 1: über Budget

CV = EV – AC

SPI = EV / PV
SPI > 1: im Plan
SPI < 1: hinter Plan

SV = EV – PV

EAC:
Keine weiteren Abweichungen: AC + (PV – EV)
Abweichungen bleiben konstant: PV / CPI

EC = geplante Dauer / SPI

 

Vorteile

  • die fertiggestellte Arbeit wird aufgrund der ursprünglich geplanten und tatsächlichen Kosten bewertet
  • liefert zum gewählten Zeitpunkt eine Momentaufnahme des Projektstatus in Bezug auf Zeit und Kosten
  • die zukünftige Entwicklung des Projektes lässt sich mit der EVA prognostizieren
  • die Methode ist objektiv und vollständig nachvollziehbar
  • Projekte werden untereinander vergleichbar

Nachteile

  • die EVA liefert keine Aussage zur Qualität der geleisteten Arbeit
  • die Umsetzung ist sehr aufwändig, wenn die Berechnungen nicht automatisch in einer Projektmanagementsoftware durchgeführt werden
  • die Sicherstellung der Aktualität und Qualität der Daten erfordert mehr Aufwand
  • die Abschätzung des Fertigstellungsgrades kann fehlerhaft sein
  • die Interpretation der Kennzahlen benötigt Erfahrung
  • Sie ist nur bei Projekten mit klar definiertem Leistungsumfang anwendbar und setzt einen hohen Projektreifegrad voraus

Fazit

Die Earned Value Analyse ist ein sehr wertvolles Instrument, um Projekte zu überwachen und zu steuern, sowie als Frühwarnsystem für Termin- und Kostenabweichungen. Viele Projektmanager werden jedoch durch die vielen Kennzahlen und Formeln abgeschreckt. Eine gute Projektmanagement-Software ermittelt sämtliche Kennzahlen automatisch und liefert Ihnen so jederzeit einen wertvollen Überblick über Ihren Projektstatus sowie aussagekräftige Prognosen für die weitere Entwicklung Ihrer Projekte.

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